Графични страници
PDF файл
ePub

die Nachricht, daß der Generalfeldmarschall Münnich grobes Geschütz er halten, und die Stadt bombardiren würde. Es war nicht rathsam in unjerm Hause zu bleiben, und mein Vetter suchte uns irgendswo in Sicherheit zu bringen. Er erfuhr, daß der Graf Münnich dem hier residirenden Holländischen Commissarius, Hrn v. Bleyswick, hatte sagen lassen, die Holländischen Schiffe sollten sich alle an einem Ort versammlen, daß er fie verschonen könnte. Diese nun hatten sich an die Brabank geleget. Mein Vetter, der einen Schiffer daselbst kannte, besprach sogleich ein Zims mer für uns, und bat, uns nicht lange zu verweilen. Meine Mutter, die nunmehro bettlägerig war, befand sich nicht im Stande, sich auf den Weg zu ihrer Sicherheit zu begeben, sie verlangte, daß wir vorausgehen sollten. Den andern Tag wurde sie in einer Sänfte nachgebracht, und ihr Zustand verschlimmerte sich jede Stunde. Den folgenden Morgen verkündigte sie mir ihren nahen Tod, nahm Abschied von mir, und diese rührende Scene machte meinen noch ohnedem entkräfteten Körper vollends mürbe. Und ach Gott! was empfand meine Seele? Sie wurde von Gram und Schmerz ganz zu Boden geschlagen, und meine Thränen matteten mich so ab, daß ich wieder das Bette hüten mußte.

Den 10. May gefiel es Gott, diese meine ewig geliebte Mutter alles Leidens zu befreyen, und ihr in jenem Leben die Erone zu ertheilen, wor nach sie hier so sehnlich gerungen hat. Ihre letzten Augenblicke sollen, wie man mir berichtet, ruhig, und ihr Tod sanft gewesen seyn. Ich, sage, wie man mir berichtet; denn die zwey letzten Tage ihres Lebens war ich mir selbst ganz unbewußt. In den Stunden, da meine Krankheit aufs höchste gestiegen war, und so zu sagen, Tod und Leben mit einander kämpften, war ich mit lauter Sterbensgedanken beschäftiget. Ich lag, und er wartete meine Auflösung im Stillen. In diesen Augenblicken fielen Sie, mein bester Freund, mir ein, und mein Herz wurde bey dieser Erinnerung noch beklemmter. Ich bat Gott sehnlich und mit Thränen, er möchte Ihnen wieder eine Braut zuführen, welche, wo es möglich, Sie so zärtlich liebte als ich, und alle Glücksgüter besäße, die Sie verdienen, und mir mangeln. Ich erinnerte mich unter meinen wenigen Juwelen eines Ringes, den ich Ihnen, zum Andenken unserer reinen Liebe, übersandt wissen wollte. Dieses unterbrach mein Stillschweigen. Ich rief meinen Bruder, gab ihm diesen Auftrag als die lehte Bitte einer sterbenden Schwester, und nahm von den Anwesenden Abschied. Alle waren bestürzt, und in dieser Bestürzung ließ man mir noch eine Ader öffnen. Dieser Aderlaß that die schleunigste Wirkung, meine Seitenstiche verschwanden, und ließen mir nur eine unbeschreibliche Mattigkeit zurück. Ich erwartete immer noch den Tod, und wünschte von meiner geliebten Mutter auch im Sterben nicht getrennt zu seyn, aber jeht muste ich diese Trennung erfahren. Mein blutendes Herz seufzte mit leiser Stimme, was ich sonst so oft freudig ausge

rufen hatte: Herr, dein Wille geschehe! Aber bald wird dieses Herz sich unter die Hand des Allmächtigen beugen, und dadurch die Ruhe finden, die ich bisher verloren gehabt. Das ganze Haus fömt mir als eine Wüste vor, weil ich diejenige nicht mehr finde, die ich darinnen über alles schätzte.

Der Abschied dieser sterbenden Mutter wird sich nie aus meinem Gedächtniß verlieren. Noch jest fließen Zähren, gerechte Zähren, die ich ihrem Andenken weyhe. Sie rief mich zwen Tage vor ihrem Ende zu sich; „Mein Kind, sagte sie: ich gehe zum Vater; Gute Nacht! aber nicht auf ,,ewig. Dort wollen wir uns wiedersehen, und dann soll unsre Vereinigung ,,ungetrennt und vollkommen seyn. Ich lasse dich in einer Welt, darinnen „die Gottlosigkeit aufs höchste gestiegen, und ich danke Gott, daß er mich „dir bis jetzt erhalten, da du hoffentlich das Böse von dem Guten zu un,,terscheiden weißt. Hasse das erste und hange dem leßten an, weiche nie ,,von der Bahn der Tugend. Treue Arbeit bringt herrlichen Lohn. Lebe ,,wohl, mein Kind! Sey getreu, Gott und deinem Geliebten! Liebe ,,Gott über alles und zuerst deinen Freund als dich selbst, so wird er euch ,,segnen. Gott bringe euch bald zusammen und sey euch gnädig. Ich ,,habe das Vertrauen zu deinem Freunde, er werde dich künftig so weis,,lich und liebreich führen, als er dein Herz mit Klugheit und Redlichkeit gelenket hat. Ich freue mich, ihm noch, ehe ich sterbe, meinen Segen ,,und meine Einwilligung ertheilt zu haben. Vergiß mein nicht, mein „Kind! so lange du lebest, und verlaß Gott und die Tugend nimmermehr.“ Hierauf ertheilte sie mir den Segen, und noch einige Befehle, die ich nach ihrem Tode ausrichten sollte. In Thränen fast zerfließend verließ ich ihr Bette, und habe diese rechtschaffene Mutter nicht mehr gesehen.

Nur die Hoffnung in Ihnen den redlichsten, besten, treusten Freund zu besitzen, kann mich einigermaßen über meinen Verlust trösten. Unter den schmerzlichsten Empfindungen ist mein Brief länger gerathen als ich gedacht. Ich habe unter diesen Klagen meinem Herzen Luft geschafft, und ich erfahre den Trost, daß ich einem Freund meinen geheimen Gram entdecken kann. Ich weis, Sie haben Mitleiden mit Ihrer

Beispiel 3.

Zweyhundertundneunzehnter Brief.

An Frau v. R.

Kulmus.

Leipzig den 4. März 1762.

Theuerste Freundin,

Ich muß Ihnen eine traurige Nachricht melden; ich verliere mein
Meine Krankheit fängt sich also eben so an, als

Gesicht fast gänzlich.

des Professors May seine, Gott gebe, daß sie sich auch so endige; das heißt durch einen baldigen unschmerzhaften Tod. Und wie sehnlich wünsche ich die Stunde meiner Auflösung schlagen zu hören! Fragen Sie nach der Ursach meiner Krankheit? Hier ist sie. Achtundzwanzig Jahre ununterbrochene Arbeit, Gram im Verborgenen und sechs Jahre lang unzählige Thränen sonder Zeugen, die GOtt allein hat fließen sehen; und die mir durch meine eigene und hauptsächlich durch die allgemeine Noth und die erlittenen Kriegsdrangsalen so vieler Unschuldigen ausgepreßt worden.'

Heute wird die von meinem Manne verfertigte Cantate zur Probe aufgeführet, bey welcher ich aber, meiner Unpäslichkeit wegen, nicht erschei nen kann. Allein ich habe dem Churprinzen ein Opfer gebracht, was ich nur Antonien und außer diesen beyden keinem andern bringen würde. Ich habe meinen Flügel auf den Concertsaal schaffen lassen, der wird seine Rolle besser spielen als ich.

Wie sehr freue ich mich, daß ich sterblich bin; und dieser Trost macht mir alles Unangenehme erträglich. Gott lasse mich, da seine Absichten immer gnädig und seiner Weisheit gemäß sind, nur derselben recht würdig werden. Von seiner Hand hoffe ich für mein kurzes Leiden eine ewige Belohnung; diese ist meine christliche Philosophie, wie gerne möchte ich sie allgemein machen!3

Gottsched.

4. Johann Jakob Bodmer. 1698-1783.

Johann Jakob Bodmer, am 19. Julius 1698 zu Greiffensee, einem Dorfe bei Zürich, geboren, war der Sohn eines Predigers und wurde früh in den Wissenschaften unterrichtet. Neben dem alten Testamente und Ovids Metamorphosen war auch der Roman Hercules und Valiska von Bucholz seine Lieblingslecture. Auf dem Gymnasium zu Zürich befestigte er sich in der Kenntniss des Lateinischen und sprach und schrieb es besser als das Deutsche, zu dessen Studium er erst durch Opißens Werke geführt wurde. Diesen Dichter gewann er so lieb, daß seine Mitschüler ihn selbst Opiß zu nennen pflegten. Auch das Französische trieb er sehr eifrig,

1. Es fehlt eine Stelle, welche Empfehlungen an die bayerschen Herrschaften enthält. 2. Antonie ist die Churprinzessinn, Kaiser Carls VII. Tochter, Gemahlinn des nachherigen Churfürsten Friedrich Christian († schon 17. Dec. 1763), Mutter der Könige Friedrich August und Anton von Sachsen. war ihr lehter eigenhändiger Brief. Am 10. Juni schrieb sie ihrer Freundinn noch einmal durch fremde Hand, am 26. Juni starb sie.

[ocr errors]

3. Dies

später auch die italienische und englische Sprache. Zum geistlichen Stande, zu welchem sein Vater ihn gern hinzugeführt hätte, fühlte er keine Neigung, und Schüchternheit, wie die Schwäche seiner Brust, schreckten ihn ganz davon zurück. Aber eben so wenig konnte er Geschmack an der Kaufmannschaft gewinnen, obschon man ihn reisen ließ und ihn nach Lugano, Bergamo und Mailand gegeben hatte. So musste ihn der Vater 1719 wieder in sein Haus zurücknehmen. Im Jahre 1720 ging er aber nach Zürich und studirte mit allem Eifer die Geschichte und die Rechte seines Vaterlandes, trieb daneben seine Sprachstudien und pflog der Freundschaft mit seinen Freunden, vor allen mit seinem geliebten, ihm gleichgesinnten Breitinger, und beide traten nun als Schöpfer der Kritik und Wiederhersteller des guten Geschmacks in den Wissenschaften auf. Bodmer. wurde 1725 zum Professor der helvetischen Geschichte und der Politik in Zürich ernannt und würkte, obschon ihm nur ein kleiner Kreis von Schülern umgab, sehr wohlthätig auch in Staatsangelegenheiten, nachdem er 1737 Mitglied des großen Raths geworden war. Seit 1727 war er mit Esther Orelli, der Tochter eines angesehenen Kaufmanns, verheirathet; aber ein frühzeitiger Tod entriss ihm die Gattinn, vier Söhne und eine geliebte Nichte. So lebte er nun sein noch übriges langes Leben nur seinem Amte (was er 1775 niederlegte) und den Musen in stiller Abgeschie denheit und nahm sich besonders aufblühender Talente an. Er lebte noch lange, nachdem sein Streit mit Gottsched längst vergessen war, seine jun gen Freunde und Schüler ihn längst überragten und sein Name unter den Heroen seiner Zeit nicht mehr genannt wurde. Er überlebte Kleist und Lessing, war Wielands, auch noch Herders und Göthes Zeitgenosse, erfreute sich einer dauerhaften, ungetrübten Gesundheit, welche ihm zu sei nen raftlosen Arbeiten Kraft gab und starb, nur wenige Tage an einem leichten Fieber krankend, am 2. Jan. 1783 im 85. Lebensjahre.

Bodmer hat das große Verdienst sein Vaterland zu einem Mittelpunct der Literatur und Dichtkunst auf längere Zeit gemacht und zur Kritik gegen Gottsched angeregt zu haben. Gern zog er junge Talente hervor und schüßte sie, wollte sie aber gern unter seiner Scheere behalten und sie leiten, wohin sie nicht wollten, wenn sie ihn auch längst überflügelt hatten. Daher kam es, daß er nicht allein mit den pedantischen und fa= den Dichtern, sondern auch mit denen zerfiel, welche er wie Klopstock aufs höchste verehrt hatte. Sein eignes Talent überschätzte er weit und sein Anschen und patriarchalisches Wesen musste von allen gebührend anerkannt werden, wenn er sich nicht unangenehm berührt fühlen sollte. Daneben war er aber auch sehr gutmüthig und ließ sich wieder Vieles, selbst seine Person Betreffende, ohne Empfindlichkeit gefallen; auch wurde er im Alter heitrer und in seiner Denkart freier. Gervinus sagt von ihm: „er hatte ,,die Unbekümmertheit und Selbstgefälligkeit eines anfangs von bloßem

Thä

Thätigkeitstriebe bestimmten, dann von übertriebenem Lobe verwöhnten ,,Kindes, das hierdurch zu seiner natürlichen Gutartigkeit einige Reizbar„keit und selbst feine Bosheit annimmt.“ Er war sehr thätig, eine lebendige Chronik der deutschen Literatur und schrieb und prcducirte bis in sein. spätes Greisenalter hinein, daß man selbst das viele Gute, was er gewürft hat und ihn selbst über seine schwachen Erzeugnisse und seine nichts mehr geltende Kritik vergaß. Er hat sich vornehmlich durch den oben bei Gottsched erwähnten Kampf, durch sein Einführen in die englische Literatur, besonders in Miltons Poesïeen und den Zuschauer von Addison, durch das Her: vorziehen altdeutscher Gedichte, namentlich des Nibelungen-Liedes und der Minnelieder des Manessischen Coder, durch die Herausgabe mancher ältern Dichter und die Aufregung und Heranbildung neurer Dichter berühmt und verdient gemacht; in seinen eignen Arbeiten ist wohl manches Talentvolle anzuerkennen, aber kein höherer Dichtergeist. Für die Musik hatte er keine Empfänglichkeit.

Seine Hauptschriften find:

1. Die Discourse der Mahler. Vier Theile. Zürich 1721 bis 1723. fl. 8. Von Bodmer und Breitinger herausg. Die Abhandlungen, welche mit Rubeen unterzeichnet sind, haben Bodmer, von dem überhaupt das Meiste ist, die mit Holbein bald Bodmer, bald Breitinger zum Verfasser

2. Sammlung kritischer, poetischer und anderer geistvoller Schriften zur Verbesserung des Urtheils und des Wihes in den Werken der Wohlredenheit und der Poesie. Zwölf Stücke. Zürich 1741 1744. 8. Größtentheils Streitschriften und Satiren auf die Gottschedsche Schule. Die meisten Abhandlungen sind von Bodmer, andre von Breitinger, Graf Conti, Liscov, Rost u. a. Hierunter ist auch: Grundriß eines epischen Gedichts von dem geretteten Noah (Plan der Noachide. Klopstocks Messias erschien 1748).

3. Kritische Briefe. Zürich 1746. 8.

Von Bodmer und Breitinger herausgegeben, funfzehn an der Zahl. 4. Pygmalion und Elise (angehängt die Erzählungen- verschiedener Verfasser, und der geplagte Pegasus). Frff. u. Lpz. (Zürich) 1747. 8. (3w. Aufl.)

5. J. J. Bodmers kritische Lobgedichte und Elegien, von J. G. Schuldheiß besorgt. Zürich 1747. 8. Neue Aufl. J. J. Bodmers Gedichte in gereimten Versen. Mit Schuldheißens Anmerkungen. Dazu kommen etliche Briefe. Zürich 1754.

Die Lobgedichte sind: 1. Die Wohlthäter des Standes Zürich. (1733.) 2. Character der deutschen Gedichte (1734). 3. Die Drollingersche Muse. 4. Eingang zu Königs Gedicht: August im Lager.

Pischon Denkm. IV.

4

« ПредишнаНапред »