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Johnson schätzte die Gesellschaft wie er sie besonders bei Mrs. Thrale traf, in der sich Männer und Frauen gemeinsam über literarische und andere Fragen unterhielten. Wir nennen von jenen schöngeistigen Frauen nur Hannah More und Frances Burney, die spätere Madame d'Arblay. Es ist darum zu verwundern, daß Johnson von der Beteiligung der Frauen an solchen Zusammenkünften etwas verächtlich spricht. In Paris, meint er, ließe sich keine geistig so hochstehende Vereinigung wie der Literary Club" zusammenbringen. Die Wahrheit sei, daß die Männer dort nicht höher ständen als die Frauen. Sie wüßten nicht mehr als diese und seien daher in ihrer Unterhaltung durch die Gegenwart der Frauen nicht beeinträchtigt (Bosw. 308).1)

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Es ist selbstverständlich, daß Johnson die lächerlichen Extravaganzen der Preziösen verachtete, die sich mit der Zeit breit gemacht hatten, und die dem Geist, aus dem jene Vereinigungen hervorgangen waren, widersprachen. Ihre gezierte, pedantisch gelehrte Redeweise, die das zu bezeichnende Ding nicht beim Namen nannte, sondern sich in Anspielungen, in geistvoll scheinen sollenden Umschreibungen gefiel, verspottet Johnson im Id. 46. In der vornehmen Dame dieses Aufsaßes, die „in der besten Gesellschaft verkehrt“, die ungeheuer gelehrt und belesen ist und diese Bildung auch in dem alltäglichsten Gespräch an den Tag legen will, erkennen wir ohne weiteres eine Preziöse. Was diese Nummer aber für uns von besonderem Interesse macht, ist, daß sie eine Anlehnung an die „Précieuses ridicules" Molières zu bieten scheint. Die Ähnlichkeit des Verfahrens, durch welche Johnson und Molière die Unsinnigkeit der verdrehten Ausdrucksweise dieser Damen, die für die andern Menschen unverständlich ist, beleuchten, legt diese Vermutung nahe. Molly Quick, ein einfaches Mädchen vom Lande, klagt dem „Idler“ in einem Brief ihr Leid: sie habe anfänglich die Anordnungen und Befehle ihrer Herrin, die nur in dunklen Anspielungen rede, nicht oder doch nur mit der größten Mühe verstehen können. Jeßt nachdem sie die Bücher der Dame gelesen habe, verfehle sie selten den Sinn ihrer Worte zu erraten; aber vorher als sie in dieser Hinsicht noch ein unwissendes Mädchen war, sei sie oft beinah verzweifelt.

Entsprechend liegen die Verhältnisse in den ,,Précieuses ridicules". Auch Molière zeigt die Unverständlichkeit der Sprache dieser Damen, indem er ein schlichtes Mädchen vom Lande als ihre Dienerin, die ihre Herrin

1) Vgl. La Bruyères ungünstiges Urteil über den Gesprächston, der zu seiner Zeit in der Gesellschaft geherrscht habe: Il a régné pendant quelque temps une sorte de conversation fade et puérile (Oeuvres I 238, 68). Hierauf kann fich Johnson stützen, wenn er von der Minderwertigkeit der französischen, literarischen Bereinigungen spricht, in denen das Gespräch durch die Frauen auf niederer Stufe gehalten werde.

nicht versteht, einführt. Marotte: Dame! je n'entends pas le latin, et je n'ai pas appris, comme vous, la filofie dans le grand Cyrus (Préc. rid., Sc. VII).

Marotte begreift nicht, was es bedeutet, wenn sie sagen soll: Voilà un nécessaire qui demande si vous êtes en commodité d'être visibles (Préc. rid., Sc. VII). Der Befehl, den Spiegel zu reichen, bleibt ihr ebenso unflar: Vite, venez nous tendre ici dedans le conseiller des grâces (ibid.). Ganz entsprechend geht es ihrer Leidensgefährtin im „Idler“, denn die Dame, der sie dient, steht an unklaren Ausdrücken ihren Vorbildern keineswegs nach: If she thinks her chocolate delayed, she talks of ,,the benefit of abstinence" (VIII 184). Als einst Molly Quick ihre Glocke überhörte, wurde sie gefragt, ob sie denn in Zembla lebten, und damit wollte die gelehrte Dame ihr Mädchen an das Land erinnern, wo die Töne gefrieren sollen. Ebenso preziös ist der folgende Befehl gehalten : Another time, as I was dressing her head, she began to talk on a sudden of Medusa, and snakes, and men turned into stone, and maids that, if they were not watched, would let their mistresses be Gorgons. I looked round me half frightened, and quite bewildered, till at last, finding that her literature was thrown away upon me, she bid me, with great vehemence, reach the curlingirons (VIII 185).

Das Unglück der Marotte wie das der Molly Quick besteht also übereinstimmend darin, daß beide Herrinnen dienen, die sie kaum verstehen, und diese Herrinnen sind nach schöngeistiger und gelehrter Bildung trachtende, lächerliche Blaustrümpfe, wie sie Molière außerdem noch in seinen „Femmes savantes" schildert, an die Johnson ebenfalls gedacht haben mag.

Auffallend ist, daß es damals — diese Nummer stammt aus dem Jahre 1759 in England noch Preziösen, die in solcher Redeweise schwelgten, gab. Der preziöse Geist herrschte auch nach dem Erscheinen der „Précieuses ridicules" und äußerte sich wie wir bereits betonten lächerlichen Ausdrucksweise Wir haben keinen weiteren

in einer geistigen Koketterie, aber von ihrer ließen jene bildungsbeflissenen Damen doch ab. Anhaltungspunkt dafür gefunden, daß in den englischen Salons um 1759 eine derartig affettierte Sprechweise noch gepflogen wurde. Schon die moralischen Zeitschriften Addisons und Steeles, die doch gegen alle gesellschaftlichen Mißbräuche vorgingen, enthalten unseres Wissens keine Nummer, die diese Unart geißelt. Wenn also die Wirklichkeit unserm Autor keine Veranlassung zu seiner Satyre gab, so liegt es nahe, ihren Ursprung in seiner Büchergelehrsamkeit zu suchen und um so eher an eine Anlehnung an Molière zu denken.

Racine.

Von Racines Tragödien erwähnt Johnson nur „Andromaque" und „Phèdre“. Ohne seine Ansicht über den Wert der Dichtung kund zu tun, nennt er die erstere gelegentlich der Besprechung von Ambrose Philips' Tragödie The Distrest Mother", die nahezu eine Übersetzung von Racines „Andromaque" sei (Lives, IV 190).1)

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Einmal kommt Johnson auf eine ästhetisch-kritische Anschauung Racines zu sprechen, daß nämlich die große Entfernung des Ortes, in dem ein Stück sich abspielt, dem Dichter dieselben Vorteile gewähre wie die Länge der Zeit (Lives, II 337).

Racine pflegte seine ästhetischen Glaubenssäge in den Vorreden, die er seinen Trauerspielen vorausschickte, niederzulegen; dieser findet sich im zweiten Vorwort zu „Bajazet“. Racine behandelt in diesem Trauerspiel das Schicksal eines türkischen Prinzen, wie es sich ganz kürzlich in Konstantinopel zugetragen hatte. In dem Vorwort verwahrt er sich gegen den Vorwurf, der ihm gemacht werden könnte, eine so moderne Geschichte auf die Bühne gebracht zu haben. Er glaube nicht, daß er dadurch gegen die Regeln verstoßen habe; allerdings möchte er einem Dichter nicht raten, einen Stoff aus der zeitgenössischen Geschichte zum Gegenstand eines Trauerspieles zu wählen, wenn sich das Ereignis in dem Lande zugetragen habe, in dem er sein Stück aufzuführen gedenke, auch sei es nicht rätlich, Helden auftreten zu lassen, die die Mehrzahl der Zuschauer kenne, denn die tragischen Helden müßten mit anderen Augen betrachtet werden, als wir die Leute anschauen, die uns bekannt sind. Die Achtung vor den Helden nimmt in dem Maße zu, als sie sich von uns entfernen.“ L'éloignement des pays répare en quelque sorte la trop grande proximité des temps. Car le peuple ne met guère de différence entre ce qui est, si j'ose ainsi parler, à mille ans de lui, et ce qui en est à mille lieues. C'est ce qui fait, par exemple, que les personnages turcs, quelques modernes qu'ils soient, ont de la dignité sur notre théâtre. On les regarde de bonne heure comme anciens (Oeuvres II 476 ff.).

Die Vorteile des Unbekannten beruhen also für Racine in einer ge= wissen Würde, in dem Nimbus, mit dem die örtliche Entfernung die Helden umgibt. Johnson jedoch faßt wie seine Kritik von Drydens „Aureng Zebe“, welches Drama ebenfalls einen zeitgenössischen, aber fremdländischen Stoff behandelt, zeigt (Lives, II 337) den Vorzug, den die örtliche Entfernung in Übereinstimmung mit der zeitlichen bietet, vor allem so auf, daß sie dem

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1) Vgl. Addisons Spectator N. 335.

Dichter gestattet, es mit der Schilderung der Sitten und der einzelnen Ereignisse nicht allzu genau zu nehmen, weil es unmöglich ist, ihm diese Ungenauigkeiten nachzuweisen. 1)

Moral, Philosophie, Kritik.

La Rochefoucauld.

Schriftlich gedenkt Johnson La Rochefoucaulds nur einmal in einem Briefe aus seinem letzten Lebensjahre.

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Er schreibt, daß er zwei Freunde, die er vor zwei Monaten ganz gebrochen vor Alter und Krankheit verlassen, nun wieder sehr gut erholt angetroffen habe. Für einen kranken Mann das sagt er in bezug auf sich selbst sei es ein großes Vergnügen zu bemerken, daß Krankheit nicht immer tödlich verliefe. Diese egoistische Erwägung sei jedoch, was Rochefoucault [sic] oder Swift auch immer sagen möchten, obgleich gewiß ein Teil des Vergnügens, jedoch keineswegs alles: This is however, whatever Rochefoucault or Swift may say, though certainly part of the pleasure, yet not all of it. I rejoice in the welfare of those whom I love and who love me, and surely should have the same joy if I were no longer subject to mortality (Letters II 421). In einer Anmerkung hierzu verweist Hill auf den folgenden Grundsatz La Rochefoucaulds: Dans l'adversité de nos meilleurs amis nous trouvons toujours quelque chose qui ne nous déplaît pas (Maximes S. 83). Es ist möglich, daß Johnson diese bekannte Sentenz des französischen Pessimisten im Gedächtnis hatte, wenn er auch im Gegensatz zu diesem die Freude der Menschen am Wohlergehen anderer hervorhebt.

Schon in früheren Jahren hatte Johnson auf die eben zitierte Ansicht La Rochefoucaulds verwiesen, zwar auch diesmal nicht in völlig klarer Anspielung. Mrs. Piozzi erzählt: I mentioned an event, which if it had happened would greatly have injured Mr. Thrale and his family - and then, dear Sir, said I, how sorry you would have been! „I hope (replied he after a long pause) I should have been very sorry; but remember Rochefoucault's maxim" (Misc. I 207). Dies erinnert uns an eine Bemerkung Johnsons, daß wir an dem Elend unserer Nebenmenschen insofern eine gewisse Freude hätten, als wir die Fähigkeit in in uns fänden, die Gefühle der Menschlichkeit zu betätigen, eine Ansicht, für die er sich auf Fontenelle stüßt. 2)

1) Über Racines Beteiligung an der Umänderung der Bilderaufschriften in Versailles siehe Johnsons Verhältnis zu Boileau S. 48.

*) Siehe unter Fontenelle S. 197.

In ihren Anecdotes" erzählt Mrs. Piozzi, Johnson habe sie ge= tadelt, daß sie La Bruyère dem Duc de Rochefoucault [sic] vorziehe, „der (wie er sagte) der einzige Edelmann war, der wie ein berufsmäßiger Schriftsteller schrieb.") Daß Johnson die Fähigkeiten des Herzogs als eines Schriftstellers achtete, geht auch aus Mr. Sewards Anekdoten hervor, auch er berichtet, daß Johnson zu sagen pflegte, daß „Rochefoucault der einzige der wenigen adligen Schriftsteller (gentlemen writers) war, vor dem Autoren von Beruf Ursache hatten, Angst zu haben" (Misc. II 304). Es ist dies wohl das gleiche Urteil, das Mrs. Piozzi in Anführungszeichen mitteilt; aber davon, daß La Rochefoucauld bei Johnson größere Wertschäßung als La Bruyère genoß, sagt Seward nichts. Mrs. Piozzis Angabe steht auch in Widerspruch mit einem einwandsfreieren Zeugen, Murphy, von dem wir wissen, daß Johnson von allen französischen Autoren La Bruyère neben Boileau am höchsten schäßte. 2)

Wenn man die „Maximes" als Ganzes betrachtet, so findet man, daß sie mit dem „Rambler“ und „Idler" wenig gemein haben. Daß sich übereinstimmende Bemerkungen finden, 3) darf bei Moralisten, die die täglichen Erscheinungen des Lebens beobachten, nicht Wunder nehmen. Die größte und zuerst in die Augen fallende Ähnlichkeit wird durch die pessimistische Betrachtungsweise des Lebens und die geringe Einschätzung der menschlichen Eigenschaften und Tugenden hervorgerufen; aber dies hat Johnson auch mit La Bruyère gemein. Bei näherem Zuschauen zeigt sich, daß auch hierin ein wesentlicher Unterschied zwischen La Rochefoucauld einerseits und Johnson und La Bruyère andererseits besteht.

Aus den „Maximes" spricht der Mann, der alle Enttäuschungen gekostet hat, der das Leben und die Menschen durch und durch kennt und nun nichts mehr von ihnen erwartet. Johnsons Pessimismus dagegen ist nichts weniger als ein grundsäglicher. Er ist vor allem der Ausdruck innerer Mißstimmung und Unzufriedenheit; aber im Grunde seines Herzens ist er, ebenso wie La Bruyère, weit davon entfernt, das Leben, und die Menschen zu haffen oder zu verachten; im Gegenteil, er hat sie gern, so gern, daß er

1) He used to condemn me for preferring La Bruyère to the Duc de Rochefoucault,,,who (he said) was the only gentleman writer who wrote like a professed author". The asperity of his harsh sentences, each of them a sentence of condemnation, used to disgust me however; though it must be owned, that, among the necessaries of human life, a rasp is reckoned one as well as a razor (Misc. I 334).

*) Siehe Murphy, Misc. I 416; zitiert in Johnsons Verhältnis zu La Bruyère S. 68.

3) Vgl. die beiden Anmerkungen Hills zu Misc. I 326, II 153, doch zu leßterer auch La Bruyère (Oeuvres I 235, 55); ferner Misc. II 399.

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