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Inschriften zu anmaßend gefunden; auch das stimmt nicht ganz. Boileau hat diese Wendung vielmehr durchaus vermieden, er spricht nur von: pompeuses déclamations und inscriptions pleines d'emphases. Er ist der Ansicht, daß Ludwigs Taten so vollkommen groß und wunderbar seien, daß sie nicht nötig hätten, übertrieben zu werden.') Hochtrabende Worte aber machten unwillkürlich den Eindruck, als wünsche man eine Sache zu übertreiben, 2) als müsse man die Welt erst überreden zu glauben, daß die Taten wunderbar seien. Solche Inschriften verfehlten also ihren Zweck, und Boileau verspricht sich eine weit größere Wirkung von schlichten Worten. Nicht also weil er sie zu anmaßend sand, sondern weil er befürchtete, die Menschen könnten glauben, daß sie anmaßend seien, verfaßte Boileau einfachere Inschriften.

Als er später von der Stadt Lyon um Rat über eine Inschrift ge= fragt wurde, trat er ebenfalls für größtmögliche Einfachheit ein, und aus diesem Grunde riet er, sie in lateinischer Sprache abzufassen, die er in ihrer Einfachheit unerreichbar fand. 3) Für die poetischen Ergüsse seiner Landsleute aber in lateinischer Sprache hatte Boileau gar nichts übrig. 4) Das nahm ihm Johnson übel, der stets eine große Vorliebe für modernes Latein bekundete. Hatte er doch vor, Politians Gedichte herauszugeben mit einer Geschichte der modernen lateinischen Dichtkunst. 5) Von Pope erwähnt er rühmend (Lives, IV 79), daß dieser von den modernen lateinischen Schriftstellern manches gelernt habe, einer Dichtergruppe, die Boileau der Ver

et qu'on y mît les inscriptions simples qui y sont, que nous composâmes presque sur-le-champ, monsieur Racine et moi, et qui furent approuvés de tout le monde. C'est cet écrit, fait à la prière de monsieur de Louvois que je donne ici au public (Avertissement des Discours sur le style des inscriptions, Oeuvres III 142). 1) Il est absurde de faire une déclamation autour d'une médaille ou au bas d'un tableau, surtout lorsqu'il s'agit d'actions comme celles du roi qui, étant d'elles-mêmes toutes grandes et toutes merveilleuses, n'ont pas besoin d'être exagérées (Oeuvres III 142).

2) L'épithète de ,,Merveilleux" en cet endroit, bien loin d'augmenter l'action, la diminue, et sent son déclamateur qui veut grossir de petites choses (Oeuvres III 142).

3) Vgl. Boileaus Brief an Brossette vom 15. Mai 1705 (Oeuvres IV 545). 4) Boileaus Ansicht über seine lateinisch dichtenden Landsleute ist uns bekannt aus einem Dialog zwischen „Appolon, Horace, des muses, des poètes", einem Fragment, das durch Brossette nach seines Freundes mündlicher Angabe überliefert ist. Diesem Dialog liegt der Gedanke zugrunde, daß es unmöglich ist für einen Modernen, den Geist der lateinischen Sprache, die Bedeutungsnüancen der einzelnen synonymen Wörter richtig zu erfassen (Oeuvres III 101).

5) Siehe Bosw. 19 und Murphy (Misc. I 365).

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achtung preiszugeben suchte, und die nur zu allgemein vernachlässigt sei.1) Erregter wird er (Lives, III 44) gegen Boileau bei der Besprechung von Addisons lateinischen Gedichten Musae anglicanae". 2) Addison hatte diese Sammlung Boileau dediziert, der nach Tickells (1686-1740) Angabe von jener Zeit an „eine bessere Meinung von der Begabung der Engländer für die Dichtkunst erhalten habe." Doch Johnson erinnert sich nur zu genau des Franzosen „ungerechtfertigter und kleinlicher Verachtung für modernes Latein" und betrachtet daher sein Lob mehr als einen Akt der Höflichkeit als der wirklichen Anerkennung. 3)

Keine Eigenschaft oder Anschauung Boileaus war jedoch so geeignet, Johnson in Erregung zu bringen, als seine geringe Kirchlichkeit. Er kann denn auch seinen Unwillen darüber nicht unterdrücken, der in sehr bezeichnender Weise bei der Beurteilung des „Lutrin" zum Ausdruck kommt (vgl. S. 34). Wir erinnern uns, wieviel höher er die Moral des „Rape of the Lock" als die des „Lutrin" stellt, in welch verächtlicher, seiner sonstigen Ansicht widersprechenden Art er die Frauen schildert, nur um dadurch beweisen zu können, wieviel gefährlicher diese für das Glück der Menschen sind als die Geistlichkeit. Solche, bei Johnson häufige Übertreibungen lassen bei ihm jedesmal auf verhaltenen Groll schließen, der sich auf diese Weise Lust macht. Wir glauben daher nicht fehl zu gehen, wenn wir hier den Grund für Johnsons Erregung in der ihm widerwärtigen Tendenz des die Geistlichkeit lächerlich machenden „Lutrin“ sehen.

Großen Ärger verursacht es ihm, daß Hannah More (1745—1833) sich erdreistet, einen With Boileaus über die Jesuiten zu zitieren: sie hätten das Glaubensbekenntnis verlängert und den Dekalog verkürzt. Johnson hätte übrigens gar nicht nötig gehabt, sich aufzuregen; er hätte nur zu erwidern brauchen, daß Boileau versichert habe, er empfinde gegen die Jesuiten an und für sich keine Abneigung, und er nenne mehrere von ihnen seine Freunde. 4) 1) [Pope] had consulted the modern writers of Latin poetry, a class of authors whom Boileau endeavoured to bring into contempt, and who are too generally neglected (Lives, IV 79).

2) Vgl. Sander 78.

*) [Addison] afterwards presented the collection to Boileau, who from that time conceived, says Tickell, an opinion of the English genius for poetry. No thing is better known of Boileau, than that he had an injudicious and peevish contempt of modern Latin, and therefore his profession of regard was probably the effect of his civility rather than approbation (Lives, III 44).

4) Hannah More erzählt: J. was very angry because I quoted Boileau's bon mot upon the Jesuits, that they had lengthened the creed and shortened the decalogue (Misc. II 200). Diese Worte Boileaus finden sich nicht in seinen Werken, auch Brossette berichtet nichts darüber. Es ist sehr wahrscheinlich,

Am unverhohlensten kommt jedoch sein Ärger zum Ausbruch gelegent= lich der Erwähnung einiger in kirchlicher Hinsicht etwas freien Verse Popes, die ursprünglich im Universal Prayer" vorkamen:

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Can sins of moment claim the rod

Of everlasting fires?

And that offend great Nature's God

Which Nature self inspires? (Bosw. 398).

An sie anknüpfend, sagt Johnson: I warrant you however, Pope wrote this stanza and some friend struck it out. Boileau wrote some such thing and Arnaud [sic]1) struck it out, saying: „Vous gagnerez deux ou trois impies et perdrez je ne sçais combien des honnêtes gens". Mit einiger Veränderung zitiert Johnson hier Arnaulds Worte, wie sie Brossette uns berichtet: Ôtez cela, lui dit-il, vous aurez trois ou quatre libertins à qui cela plaira et vous perdrez je ne sai combien d'honnêtes gens qui liroient vos ouvrages. “2) Arnauld meinte damit folgende später gestrichene Verse aus „Satire I", wie sie in der ersten Ausgabe standen. Boileau sprach da von einem Menschen, der nur an Gott glaubt, wenn er in Gefahr schwebt: Et riant, hors de là, du sentiment commun,

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Prêche que trois sont trois, et ne font jamais un.
Car de penser alors qu'un Dieu tourne le monde,
Et règle les ressorts de la machine ronde,

Ou qu'il est une vie au delà du trépas,

C'est-là ce qu'il faut croire, et ce qu'il ne croît pas.
Pour moi qui suis plus simple, et que l'enfer étonne,

Oui crois l'ame immortelle, et que c'est Dieu qui tonne,

Il vaut mieux pour jamais me bannir de ce lieu (Oeuvres I 94).

Solche Verse waren allerdings für Johnson bei seinem streng kirchlichen Standpunkt eine harte Nuß; sie trugen denn auch ihrem Verfasser folgenden scharfen Verweis ein, und Pope muß mit darunter leiden: „These fellows want to say a daring thing and don't know how to go about it. Mere poets know no more of fundamental principles than -"(Bosw. 398). Hier wurde er unglücklicherweise unterbrochen, wer weiß welch' schönen

Vergleich wir sonst zum Schluß noch zu besprechen hätten!

daß dieser Ausspruch Boileau untergeschoben worden ist, wie auch Gedichte gegen. die Jesuiten ihm fälschlicherweise zugeschrieben sind in der Schrift: „Boileau aux prises avec les Jésuites", Cologne 1706 (vgl. Oeuvres IV 590). In einem Briefe vom 12. März 1707 verwahrt er sich dagegen, daß er der Verfasser eines gegen diesen Orden gerichteten Gedichtes sein soll. Wahrscheinlich ist, daß sich auch jener von Hannah More angeführte Witz hierin findet, was wir leider nicht feststellen konnten, weil uns diese Schrift nicht zugänglich war.

1) Antoine Arnauld, Freund Boileaus, Gegner der Jesuiten (1612--1694). 2) Vgl. Oeuvres B.-Er. I 33, Anmerkung zu Vers 155 der Satire I.

Die Dramatiker.

Corneille.

Für eine Zeit, in der das französische Drama seinen Einfluß in England allmählich einbüßte und in gleichem Maße das Verständnis für die nationale dramatische Kunst wieder wuchs wie uns vor allem die sich im 18. Jahrhundert rasch folgenden Ausgaben der Dramen Shakespeares beweisen, für eine Zeit, in der der Streit über die Vorzüge der dramatischen Dichtung beider Völker die Gemüter bewegte, sind die Vergleiche, die damals zwischen den größten Dramatikern der beiden Länder, zwischen Corneille und Shakespeare 1) gezogen wurden, besonders bezeichnend.

Auch Johnson vergleicht die beiden Dichter: We may fairly institute a criticism between Shakespeare and Corneille, as they both had, though in a different degree, the lights of a latter age (Bosw. 434). Wie Johnson das Verhältnis der beiden Dramatiker zueinander auffaßte, geht daraus nicht hervor; doch kann uns diese Gegenüberstellung zeigen, daß er den französischen Dichter würdig erachtete - was die Überlegenheit seines Geistes über seine Zeit betrifft mit Shakespeare verglichen zu werden.

Näheren Aufschluß bietet ein zweiter Vergleich. Als eines Tages, so berichtet Mrs. Thrale, jemand Corneille im Gegensatz zu Shakespeare lobte, erwiderte Johnson: „Corneille verhält sich zu Shakespeare wie eine ge= schnittene Hecke zu einem Wald" (Anecdotes, Misc. I 187). Was Johnson, wenn er Shakespeare mit einem Wald vergleicht, andeuten will, das hat er uns im Vorwort zu seiner Shakespeare-Ausgabe deutlicher gesagt: „Die Dichtung Shakespeares ist ein Wald, in dem Eichen ihre Äste ausbreiten und Fichten zum Himmel streben, der häufig mit Unkraut und Dorngestrüpp untermischt ist und manchmal Myrten und Rosen Schutz bietet, der das Auge mit ehrwürdiger Pracht erfreut und dem Geist eine Fülle von Verschiedenartigem bietet“ (IX 267).2) Unter der zugestuzten Hecke versteht Johnson augenscheinlich die in die Regeln von den drei Einheiten gepreßte dramatische Dichtkunst Corneilles. Daß er darin keinen Vorzug sieht, be= fundet er ebenfalls in seinem Vorwort zu Shakespeare, wo er die Einheit des Ortes und der Zeit, die Shakespeare nicht beachtet habe, und die seit

1) Voltaire in seinem „,Appel à toutes les nations" stellt auch Corneille und Shakespeare gegenüber und fordert alle Gebildeten Europas auf, zwischen den beiden Dramatikern zu entscheiden. Vgl. hierüber unter Voltaire S. 123.

2) Über diese Stelle vgl. auch Johnsons Stellung zu der von Voltaire an Shakespeare geübten Kritik unter Voltaire S. 122.

Corneilles Zeit allgemeine Verehrung genösse, zwar duldet, aber für die Güte eines Stückes nicht für notwendig hält (IX 258).1) Nach alledem darf man zweifellos annehmen, daß Johnson durch die Gegenüberstellung eines Waldes und einer Hecke die Überlegenheit Shakespeares über Corneille zum Ausdruck bringen wollte.

Von Corneilles Persönlichkeit erfahren wir von Johnson, daß er, „einer der größten Schöngeister, die je in dem benachbarten Königreich lebten“, eine sehr klägliche Rolle in der Unterhaltung gespielt habe (The Apotheosis of Milton, a Vision. XI 175).

Mit aller Kürze können wir über Johnsons keine Kritik enthaltenden Bemerkungen hinweggehen, daß Waller Corneilles „Pompey" (La Mort de Pompée) übersetzte (Lives, II 257), daß Mrs. Philips (1675 (?)—1747) darin seine Nebenbuhlerin war (Lives, II 269), daß Dryden in seinem „,Oedipus" unter anderen auch Corneilles „Oedipe" zum Vorbild nahm (Lives, II 338). *)

Auf die in der Literaturgeschichte bekannte Feindschaft, mit der der Kardinal Richelieu den Verfasser des „Cid“ verfolgte, finden sich zwei Anspielungen. Bei der Besprechung der abfälligen, aber von dem Publikum nicht beachteten Kritik, die Dennis (1657–1734) an Addisons „Cato“ übte, gedenkt Johnson (Lives, III 59) des gleichen Schicksals, das einst der Kritiker von Corneilles „Cid“ habe erfahren müssen. Es ist nicht zu bezweifeln, daß damit Richelieu gemeint ist, der von Neid gegen den Dichter beseelt die Akademie bestimmte, ein ungünstiges Urteil über den „Cid“ zu fällen, das sie niederlegte in den ,,Sentiments de l'Académie sur le Cid". Doch auch dieses äußerste Mittel der Kritik höchster Instanz erwies sich der Bewunderung gegenüber, die Corneille mit seinem Stücke bei seinen Landsleuten fand, als fruchtlos. Johnson wird wohl, als er auf diesen Hergang anspielt, die Verse Boileaus im Gedächtnis haben, durch die diese Intrige des Kardinals am bekanntesten geblieben ist:

En vain contre le Cid un ministre se ligue:

Tout Paris pour Chimène a les yeux de Rodrigue.
L'académie en corps a beau le censurer:

Le public révolté s'obstine à l'admirer

(Satire IX, Oeuvres I 252).

1) Bezüglich Johnsons Verhalten gegenüber den drei Einheiten siehe auch unter Voltaire S. 126 und oben S. 16 Anm. 2; ferner unter Abbé Du Bos S. 108. 2) über Corneilles Wirkung auf die englische Dichtung vgl. Alfred Mulert: Pierre Corneille auf der englischen Bühne und in der englischen Übersetzungsliteratur", Münch. Diss., Erlangen und Leipzig 1900; D. F. Canfield: Corneille and Racine in England", London 1904.

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