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vollstreckerin sie ist. So denkt derselbe Johnson, der den Begriff von der Majestät des Volkes der Verachtung preisgeben wollte (1775)!

So haben wir uns also die Widersprüche in allen Teilen auf die gleiche Weise zu erklären: Johnson stimmt mit den Grundgedanken der Lehre Rousseaus überein. Mit ihm verwirft er die bestehende Kultur

oder sagen wir in beider Sinne genauer die Überkultur als nachteilig für unser Glück; mit ihm glaubt er an den ungetrübten Frieden der Menschheit in ihrem Kindesalter und ist von der natürlichen Gleichheit aller Menschen überzeugt, die erst durch das Streben nach Besitz verloren ging; wie jener denkt auch er sich die Entstehung des Staates und betrachtet das Volk als den eigentlichen Herrscher, dessen Amtsvollstrecker die Regierung nur ist. Und doch tritt Johnson dem Verkünder dieser Ideen heftig gegen= über und haßt ihn als den schlechtesten aller Menschen. Die ganze Art, in der diese Gedanken von Rousseau vorgetragen wurden, erfüllen ihn mit Bedenken; vor den praktischen Konsequenzen, mit denen in aufrührerischer Weise Ernst gemacht zu werden schien, schrickt er zurück als einer Gefahr für den allgemeinen Frieden. Unter dem Druck dieser Umstände flüchtet er zu den Tories und verleugnet seine wahre Gesinnung, die dann und wann noch in privaten Äußerungen zum Ausdruck kommt, und die beweist, daß er nie überzeugter Tory war, wie noch immer angenommen wird. Kurz: Johnson haßt in Rousseau nicht den Philosophen, sondern den unzufriedenen Nörgler an allem Bestehenden und den Neuerer auf sozialem, wie auf politischem Gebiete, den Aufwiegler der unteren Volksklassen gegen die oberen, des Volkes gegen die Regierung, den schlimmsten Feind des öffentlichen Friedens und Glückes.

Flüchtig erwähnte Autoren.

Aus der schönen Literatur.

Indem wir für den folgenden Überblick über die von Johnson nur flüchtig erwähnten Autoren innerhalb der einzelnen Abschnitte die chronologische Anordnung beibehalten, fällt unser Blick in diesem Kapitel zuerst auf François Rabelais (1490-1553), dessen „Gargantua et Pantagruel" von Johnson einmal im Gespräch vorübergehend erwähnt wurde (Bosw. 309). Außerdem lesen wir in dem Leben Butlers, daß dieser ohne Bedenken dem von den Franzosen wegen seines Wissens gerühmten Rabelais an die Seite gestellt werden könnte (Lives, II 188).

Ganz flüchtig ist auch der Kritiker René Rapin (1621—1687) angeführt, von dem Johnson voransjeßt, daß auch er wie andere Kritiker keineswegs alle die Bücher sorgfältig durchgelesen habe, über die er ein Urteil fälle (R. 93, VI 139). 1) Ohne Kritik erwähnt Johnson Charles Perraults (1628-1703) „spaßhaften“ Ausdruck comparisons with a long tail" (Lives, IV 118). In seinem Werke Parallèle des anciens et des modernes" hatte Perrault die Vergleiche der Alten, in denen etwas für das Verständnis Überflüssiges, nur die Phantasie Füllendes gesagt wird, verächtlich als comparaisons à longue queue" bezeichnet. 2) In dem Leben Otways bemerkt Johnson, daß er bezüglich seiner Tragödie „Alcibiades" nicht feststellen könne, ob sie eine Nachbildung des „Alcibiade“ von Palaprat sei (Lives, II 217.) Jean de Bigot Palaprat lebte von 1656-1721, unter seinen 1697 gedruckten Werken ist jedoch kein Trauerspiel „Alcibiade" zu finden.3) Von Otway teilt Johnson ferner mit, daß er die „History of

1) Auf einem Versehen beruht sicher die Erwähnung Rapins in Johnsons Life of Otway, wo gesagt ist, Otway habe,,Titus and Berenice" von Rapin überseßt, während es natürlich heißen muß von Racine (Lives, II 217).

*) Uber Addisons Stellung zu Perrault bezüglich dieser Vergleiche siehe Sander S. 73.

3) Thornton stellt es sehr in Zweifel, ob Otway diese Tragödie überhaupt aus dem Französischen entlehnt habe, jedenfalls nicht von Palaprat. Palaprat

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the Triumvirate" aus dem Französischen übersetzt habe (Lives, II 220). Es handelt sich dabei um die „,Histoire des deux triumvirats" des S. de Broé.1) Ebenso ungenau bezeichnet Johnson als Vorbild für Swifts ,,Battle of the Books“ ein französisches Buch „Combat des livres". Rigault glaubt als Quelle für Swifts Werk die „Histoire poétique de la guerre entre les Anciens et les Modernes" (Paris 1688) von François de Caillères ansehen zu müssen.2) Im R. 93 jagt Johnson, daß Baillet seine Sammlung der Urteile der Gelehrten mit einer Aufzählung der Vorurteile begonnen habe, die den Kritiker irreleiten, und die die Leidenschaften gegen den Verstand aufreizen. Wenn sein Katalog auch groß sei, so sei er doch unvollkommen, denn da die Schönheit eines Werkes sich nicht darlegen und beweisen lasse, so seien diese Vorurteile unzählige (VI 138). Diese Angabe ist insofern unrichtig, als Baillet (1649-1706) in seinen ,,Jugemens des Savans sur les principaux ouvrages des Auteurs" (Paris 1685) diese Vorurteile nicht eingangs, sondern erst im zweiten Teile von S. 663) ab bespricht. In der Einleitung sagt Baillet ausdrücklich: Je me contenterai de parler dans la première partie de ce Discours de la liberté qu'on s'est toujours donnée de porter son jugement sur les Auteurs et sur leurs ouvrages, et de rapporter dans la seconde quelques uns des principaux préjugés qui préviennent cette liberté (S. 1). Baillet weist also selbst daraufhin, daß seine Aufzählung eine unvollkommene sei.

Einmal findet sich eine Stelle aus „Gil Blas“ kurz zitiert: It is observed in the sage Gil Blas" that an exasperated author is not easily pacified (X 275). Dabei denkt Johnson an die folgende Episode in Le Sages (1668-1747) satirischem Sittenroman. Gil Blas steht bei dem Erzbischof von Granada in Diensten, der seinen ganzen Stolz in seine schriftstellerischen Leistungen seßt. Da er in Gil Blas einen urteilsfähigen Kopf entdeckt, bittet er diesen, ihm stets seine Ansicht über seine literarischen Erzeugnisse mitzuteilen, und vor allem verlangt er, unter Zusicherung seines größten Wohlwollens, daß er es ihm sofort sagen solle, wenn er bemerken würde, daß seine Arbeiten an Kraft und Geist zu verlieren

wrote no play of that name (of which Dr. Johnson seems not to have been aware); and the Alcibiades of Campistron was not brought upon the French stage till December 1685 (Works of Otway, Thornton's Preface S. XV). Der „,Alcibiades" von Otway war 1675 erschienen.

1) Vgl. hierüber Hill, Lives I 246 n. 3.

2) Siehe Rigault S. 341. Hill (Lives III 11 n. 6) verweist auf eine Stelle aus,,Anecdotes of Pope" in Gentl. Mag. 1770 p. 159, wo dieselbe Quellenbermutung ausgesprochen ist.

3) Unsern Angaben liegt die Ausgabe von Paris 1722 zugrunde.

begännen. Als dies bei seinem Herrn nach einem Schlaganfall eintritt und sich Gil Blas gewissenhaft davon überzeugt hat, macht er ihn vorsichtig darauf aufmerksam, daß seine lezten Predigten hinter den anderen zurückständen. Bei diesen Worten erbleicht der Erzbischof, kennt sich kaum vor Erregung und denkt nicht mehr an sein Versprechen unveränderlicher Huld. Ohne weiteres jagt er Gil Blas als einen verständnislosen Menschen aus seinem Hause. Vergebens sucht dieser den erregten Herrn zu besänftigen: Quoique démonté, je voulus chercher quelque modification pour rajuster les choses; mais le moyen d'apaiser un auteur irrité, et de plus un auteur accoutumé à s'entendre louer? (Oeuvres choisies III 34, Paris 1810.)

Mit Mr. Maizeaux, dessen Biographie über Chillingworth Johnson anführt (IV 507), ist Desmaizeaug (1673--1745) gemeint, der als französischer Flüchtling seit 1699 in England lebte und 1725 in englischer Sprache sein „Life of W. Chillingworth" veröffentlichte.

Im Anschluß an seine Bemerkungen über Addisons „Cato" gibt Johnson an, daß Deschamps (1677—1759) ein Trauerspiel über den gleichen Gegenstand geschrieben habe (Lives, III 61). Es ist dies die 1715 erschienene Tragödie ,,Caton d'Utique".

Auch daß die Jesuiten von St. Omer Addisons Stück ins Lateinische übertrugen, teilt er bei dieser Gelegenheit mit.

Schließlich seien auch noch die Memoiren des Duke of Berwick erwähnt. Es sind dies die Memoiren des Fitzjames James, Duke of Berwick (1670-1734), der in Frankreich geboren und Generalfeldmarschall in französischen Diensten war. Sie wurden 1777 veröffentlicht, Abbé Hook vervollständigte sie und gab 1779 eine englische Übersetzung heraus, um deren Drucklegung Johnson sich bemühte (Bosw. 379).

Die französische Geschichtsschreibung.

Die englische Geschichtsschreibung bildet den Gegenstand seiner Erörterungen im R. 122. Er muß eingestehen, daß England in dieser Hinsicht bisher sehr unfruchtbar war. Aber er sträubt sich dagegen, zuzugeben, daß die Engländer, „die doch so hervorragend sind auf fast jedem anderen Gebiete der Literatur", nicht dazu veranlagt seien, zu der von der Erzählung (narrative) geforderten Mittelmäßigkeit des Stiles herabzusteigen"; er ist vielmehr der Überzeugung, daß dieser Mangel allein daher komme, daß die Geschichte selbst bisher nicht eifrig gepflegt wurde (VI 330). Hierauf gibt er einen kurzen Überblick über die bisherige englische Geschichtsschreibung,

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der ihre Unfruchtbarkeit erst recht zutage treten läßt, denn es sind nur drei Streiter (Raleigh, Clarendon und Knolles), die er für Englands Ehre ins Feld führt, nicht ohne selbst die Schwächen ihrer Werke zu betonen. 1) Diese geringe Anzahl wird fast erdrückt von der mehr als dreifachen Menge der Namen, die Johnson zu andern Malen aus der französischen Geschichtsschreibung aufzählt, wodurch uns klar wird, wie groß die Rückständigkeit der Engländer gegenüber den Franzosen in diesem Punkte in seinen Augen sein mußte.

Mit Anerkennung spricht Johnson von Thuanus (Jacques Auguste de Thou 1553-1617), 2) und wie Boswell hervorhebt, trug er sich ernstlich mit dem Gedanken, Thuanus zu übersehen (Bosw. 561). Er dürfte dabei wohl hauptsächlich an die „Historia mei temporis" (1604-1608), sein berühmtestes Werk, gedacht haben. Zusammen mit Scaligers ,,De Emendatione Temporum" empfiehlt Johnjon (IX 412) der englischen Jugend ,,Rationarium Temporum" von Petavius (Denis Pétau 1583-1652). Der ausführliche Titel dieses Werkes lautet: „Rationarium temporum in libros tredecim tributum in quo ætatum omnium sacra profanaque historia chronologicis probationibus munita summatim traditur" (Paris 1633-34).

Eine besondere Vorliebe scheint er für Vertot (1655-1735) gehabt zu haben, dessen Werke er fast sämtlich anführt. So empfahl er (Bosw. 528) seine History of Knights of Malta" (Histoire des chevaliers hospitaliers de S. Jean de Jérusalem, appelez depuis Chevaliers de Rhodes et aujourd'hui Chevaliers de Malte par M. l'Abbé de Vertot, Paris 1726), ferner „The Revolution of Portugal“ (Histoire de la conjuration de Portugal, 1689) und The Revolution of Sweden" (Histoire des Révolutions de Suède, 1696). Von seiner „Roman History" (Histoire des révolutions de la république romaine) behauptet Johnson, daß Vertot darin Goldsmith nachstände (Bosw. 212).

Einmal sind wir auf Vertot auch in einer Idler-Nummer (8) ge= stoßen. In diesem Aufsatz erzählt er den Kampf mit dem Drachen, den Schiller in dem bekannten Gedichte geschildert hat. Er habe diese Geschichte, sagt Johnson, einem Franzosen entlehnt. Dieser Franzose ist nun offenbar Vertot, der von dem Kampf mit dem Ungeheuer in seiner Histoire des Chevaliers hospitaliers" (Bd. II 192 ff.) berichtet. Wenn Johnson auch

1) Die großen Geschichtsschreiber des 18. Jahrhunderts Hume, Robertson und Gibbon waren noch nicht auf dem Plane erschienen. Der Aufsatz stammt aus dem Jahre 1751, während Humes englische Geschichte erst 1754 zu erscheinen begann. *) Vgl. R. 60, V 384; Lives, II 456.

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