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Mit dem Waffenstillstande hätte es ja wohl noch Zeit, meine ich und füge um auf den Strauch zu schlagen motivirend hinzu, wie die russische Armee soeben Bewegungen ausführe, welche mir vor der Hand die ununterbrochene Fortsezung des Rückzuges geböten.

„Aber Sie werden ihre Route nicht lange mehr verfolgen können" — entgegnet Rittmeister Katlarow mit sichtlicher Hast ,, denn Sie marschiren so" (er begleitet diesen Beweis mit versinnlichenden Fingerzeichnungen auf dem Tische) ,, und hier kommt Rüdiger, hier Tschegodajew und hier folgt Grabbe“.

Die Fingerzeichnungen entsprachen vollkommen einerseits der Kundschafternachricht, daß die nördliche russische Heeresabtheilung (Grabbe) aus den Bergstädten auf Lossoncz anrücke; andererseits unsern wie bekannt aus dem Intermittiren der feindlichen Verfolgung geschöpften Voraussetzungen, daß ein Theil des feindlichen Gros (Rüdiger) von Balassa-Gyarmat südlich abgelenkt über Pétervására gegen uns operire, während der Rest des Gros (Tschegodajew) Miskolcz noch vor uns zu erreichen strebe.

Das Uebereinstimmen der Fingerzeichnungen des russischen Parlamentärs mit meinen Conjecturen über den feindlichen Operationsplan scheint mir ein mehr als zufälliges.

Detaillirte Aufschlüsse kann ich von einem untergeordneten Offizier der feindlichen Armee unmöglich erwarten. Ich begnüge mich also mit dem in Erfahrung Gebrachten und finde nur noch die Verzögerung der Rückkehr der feindlichen Parlamentärs in ihr Lager aus dem Grunde wünschenswerth, damit General Nagy-Sándor, welcher mit Tagesanbruch des 21. Juli seine Arrieregardestellung bei Apátfalva räumen sollte, auf dem fernern Rückzuge Vorsprung gewinne. Jene Verzögerung ergibt sich übrigens von selbst, nachdem die Parlamentärs sich bereit erklären, ein Schreiben von mir an den F.-M. Fürsten Paskiewitsch mitzunehmen, und ich einer gewissen Zeit bedarf, dasselbe (meine schriftliche Antwort nämlich auf die Aufforderung zum Ablegen der Waffen und zur Annahme des Waffenstillstandes) abzufassen.

Im Ministerrathe vom 26. Juni hatte ich, wie bekannt, der Regierung unter Anderm vorgeschlagen, sie solle, während die Desterreicher

mit aller Kraft angegriffen würden, mit den Russen Unterhandlungen anknüpfen, wär's auch nur um diese vor Jenen zu compromittiren und hierdurch den Mangel an Uebereinstimmung, an welchem — wie die Kriegsgeschichte lehrt Operationen coalirter Armeen ohnedies gewöhnlich leiden, zu unserm Vortheile je mehr Basis zu geben.

Ich persönlich fühlte gleichwohl keinen Beruf in mir, mit der Ausführung dieses Vorschlages die Initiative zu ergreifen. Da nun aber russischerseits mit dem Parlamentiren begonnen worden: so erachtete ich allerdings die Gelegenheit für günstig, meine eigene ursprüngliche Idee wenigstens versuchsweise zu realisiren. Demzufolge sicherte ich mir den Anlaß zu einem fernern Parlamentärwechsel zwischen unserer und der russischen Armee dadurch, daß ich in meiner schriftlichen Antwort an den F.-M. Fürst Paskiewitsch, für die definitive Erklärung auf das Ansinnen die Waffen zu strecken, eine Frist von 48 Stunden unter dem Vorwande ansprach, ich müßte erst die Armee selbst befragen, ob sie auf die gestellten Bedingungen hin die Waffen ablegen wolle. Den angebotenen Waffenstillstand aber lehnte ich dessenungeachtet und zwar aus dem Scheingrunde ab, daß unsere Truppen mit dem Kriegsgebrauche des Waffenstillstandes nicht vertraut seien.

Bekanntlich hatte ich in der Einladung zum Abschlusse eines Waffenstillstandes blos eine Kriegslist zu erkennen geglaubt, deren Zweck die Verzögerung unsers Rückzuges, um zu ermöglichen, daß uns der Weg nach Tokaj von einem russischen Corps verlegt werde.

Eine Kriegslist war jenes Anerbieten des Waffenstillstandes allerdings: der Endzweck aber, zu welchem dasselbe gemacht worden, ein wie sich's nachträglich herausstellte weit geringfügigerer als der vorausgeseßte.

Der russische Oberst Chrulow hatte nämlich den Auftrag erhalten, mit drei Escadrons gemischter Cavallerie und zwei Geschüßen die am 18. Juli Abends unterbrochene feindliche Verfolgung unserer retirirenden Armee wieder aufzunehmen.

Mit dieser schwachen Colonne erreicht Oberst Chrulow am 20. Juli Lossoncz und findet sich im nächsten Augenblicke einer etwa 9,000 Mann und 40 Geschüße zählenden ungarischen Heeresabtheilung (unferm

1. Corps bei Apátfalva) unmittelbar gegenüber, folglich in der augenscheinlichen Gefahr, aufgerieben zu werden, da er von jeder Unterstüßung Tagmärsche weit entfernt.

Dieser Gefahr nun strebt Oberst Chrulow durch Parlamentiren zu entgehen.

Oberst Chrulow lief übrigens

was er freilich nicht ahnen

fonnte troß der isolirten Lage, in welcher er sich mit seinen geringen Streitkräften unserm 1. Corps gegenüber befand, durchaus nicht die geringste Gefahr; weil glücklicherweise für ihn zufällig eben General Nagy Sándor der Commandant jenes Corps, und dieser — nach seinem Benehmen in der Nacht vom 18. auf den 19. Juli bei Ráros, wo ihm gar kein Feind gegenüber gestanden, zu urtheilen selbst froh war, wenn Oberst Chrulow ihn nicht angriff.

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Nachdem die russischen Parlamentäre mit meiner schriftlichen Antwort deren wesentlichen Inhalt ich oben angedeutet habe noch im Laufe der Nacht vom 20. auf den 21. Juli das Hauptquartier wieder verlassen hatten, um in ihr Lager zurückescortirt zu werden: blieb meinerseits noch zu erwägen übrig, ob ich die mit denselben gepflogene Verhandlung zur Kenntniß der Armee gelangen lassen solle oder nicht.

Die Voraussicht der demoralisirenden Folgen, welche der Anstoß zur allgemeinen Debatte über die Opportunität eines Actes der Unterwerfung nach sich ziehen mußte, sprach gegen die Veröffentlichung.

Aber es war überhaupt unmöglich zu verhindern, daß die Thatsache, es seien feindliche Parlamentäre im Hauptquartier erschienen, zur allgemeinen Kenntniß gelange: und diese Thatsache gehörte zu den früher nie dagewesenen. Es stand außer Zweifel, daß sie in den Reihen der Armee um so ertravagantere Combinationen über das, was denn eigentlich die feindlichen Parlamentäre gewollt, ins Leben rufen werde, je tiefer das eigentlich Wahre an der Sache in geheimnißvolles Dunkel gehüllt bliebe.

Ich mußte ferner ernstlich befürchten, mein Schweigen über den fraglichen Gegenstand dürfte nur den Verdacht nähren, daß ich mit den Feinden des Vaterlandes in verrätherischem Einverständnisse stehe.

Dieser Verdacht -er datirte ursprünglich nicht etwa erst von den Komorner Julitagen. Auch lag seine erste Duelle weder in meiner Weigerung, für die Hinrichtungen zu Preßburg Repressalien zu nehmen, noch darin, daß die Ofener Besazung nicht über die Klinge sprang; noch in der Belagerung von Ofen und der gleichzeitigen Unterbrechung der Offensive gegen die österreichische Hauptarmee; noch in meinem ausgesprochenen Bestreben, den Krieg in einer dem Charakter der Nation nicht widersprechenden Weise zu führen; noch in der zu Tisza-Füred anfangs März stattgefundenen Amtsentseßung Dembinski's; noch auf dem Schlachtfelde von Kápolna; noch endlich in den offenkundig ge= wordenen Bemühungen des österreichischen F.-M. Fürsten WindischGräz, mich der gerechten Sache Ungarns abtrünnig zu machen. Jene Thatsache, welcher ich die Verdächtigung landesverrätherischer oder doch selbstischer Bestrebungen zunächst verdankte, ist älter als alle die eben aufgezählten Momente. Mein erstes Auftreten gegen die Politik Kossuth's mit der im I. Bande dieser Aufzeichnungen mitgetheilten Proclamation von Waizen war's, wodurch ich die Hyder der Verleumdung gegen mich herausgefordert.

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Es lag nichts Unnatürliches darin, daß Alle, die in Kossuth den Gründer eines unabhängigen Staates Ungarn in spe verehrten, vor Allem er selbst in Folge jener Proclamation mir spinnefeind wurden. Und da sie ungeachtet der Gewalt, welche ihnen über meine Person zu Gebote stand, des Muthes ermangelten, offen Rache an mir zu nehmen: so versuchten sie das Leßtere hinterrücks, mittelst der eben angedeuteten Verdächtigungen; wobei sie das Postulat jeder absichtlichen Verdächtigung Entstellung der Thatsachen

weise nicht im mindesten beirrte.

begreiflicher

So wurde mir vorerst eine gewisse Zugänglichkeit für die Anträge des F.-M. Fürsten Windisch-Gräß nicht abgesprochen; dann eine Version über die Schlacht von Kápolna natürlich unter persönlicher Mitwirkung Dembinski's - erdichtet, nach welcher ich schon am ersten Schlachttage das Arrangement für den zweiten dermaßen zu treffen gewußt, daß ein unglücklicher Ausgang der Schlacht unvermeidlich war. Eine nicht minder gelungene Version über die Retirade Dembinski's

ziere der Armee

befleckt zu erhalten;

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hinter die Theiß und dessen Entfernung vom Armeeobercommando bezeichnete abermals mich und meine präfumtiven Umtriebe als Hauptveranlassungen des Umstandes, daß die Feldherrngenialität des grauen Polen unbewährt geblieben, er selbst als Armeeobercommandant einstweilen unmöglich geworden. Mein Bestreben endlich, den Krieg in einer Weise zu führen, welche nach der Meinung der bravsten Offigeeignet war, den ehrenhaften Ruf der Nation un die Unterbrechung der Frühlingscampagne durch die Belagerung von Ofen; die nachträgliche Pardonnirung der Ofener Garnison; die Verweigerung der Repressalien für die zu Preßburg Hingerichteten; und vollends die Komorner Julitage mit dem allerdings unheimlichen Ansinnen, die Regierung solle mit Haut und Haaren für die Sache der Nation einstehen: all diese Thatsachen wurden nacheinander in gleicher Weise wie die Schlacht von Kápolna und die Entseßung Dembinski's zweckgemäß umgearbeitet und allmälig zu einem System von Beweisen vereint, das gar keinen Zweifel mehr darüber aufkommen lassen sollte, wie es mir durchaus nicht um die Sache des Vaterlandes, sondern entweder um die eigene Emporschwingung zur Dictatur, oder wohl gar nur um eine Sammlung von Verdiensten in den Augen der österreichischen Machthaber zu thun sei.

In diesem Entweder-Oder lag nun freilich viel handgreiflicher Unsinn zusammengepfercht: dessenungeachtet aber hatte dasselbe sogar bei einem Theile jener Truppen, welche ich persönlich commandirte, bereits Glauben gefunden. Freilich war dieser Theil der Armee kein compacter und bestand zumeist nur aus jenen Individuen oder einzelnen Abtheilungen, welche zufällig ein oder das andere mal so unglücklich gewesen, ihre Pflicht auf dem Schlachtfelde unmittelbar unter meinen Augen zu verlegen. Freilich hatte das wie immer unverhohlen ausgesprochene Mistrauen dieses Mindertheiles der Armee gegen mich, bei dem größern Reste derselben noch allemal eine der beabsichtigten schnurstracks entgegengesezte Wirkung hervorgebracht. Allein der Grund hiervon lag eben nur in dem Umstande, daß keine einzige unter allen bisher gegen meine Person gerichteten Verleumdungen durch irgend eine in der gegebenen Version von der Armee allgemein anerkannte Thatsache haltbar

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